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Spätwerk
beharrlicher Warnung wiederholten
Fundamentalsätzen von Weinheber Poetik [10].
Dagegen hat er schon 1927 in schärfstem
Widerspruch zu den an der „Ausdruckskunst“
geschulten Rezeptionserwartungen seiner
Zeitgenossen festgelegt: „Das Gedicht ist der
Inhalt“ [11].
Erst wer diese Voraussetzungen kennt und
beachtet, wird erkennen, wie vielschichtig in
formalen Sinnstrukturen denkend und
hochgradig seiner selbst bewußt der
Sprachkünstler seine Klage und Anklage
verortet. In den berühmtesten Gedichten aus
Weinhebers letztem Buch bekennt der Künstler
den Anteil, den die „Schuld“ – die zuallererst als
eine personale (moralische) und erst in zweiter
Linie als eine politische verstanden wird und die
überdies eine bedeutend ältere Leitchiffre von
Weinhebers Lyrik ist – an seiner Kunst hat,
aber er bekennt sich auch zu etwas: „zur
Sprache“ und damit zum Geist, zur Humanitas
(Ich, Humanist). Dieses zweite Bekenntnis
erfolgt noch immer aus demselben stolzen
Bewußtsein, „in dem alten Haus der Sprache“ zu
wohnen, von dem das Gedicht des Karl Kraus
zeugt, das nicht zufällig den nämlichen Titel
Bekenntnis trägt [12]. Daß „Gut“ und „Böse“ an
der Kunst beteiligt sind, faßt Weinheber als ein
Verhältnis auf, das aus der gewählten
poetologischen Perspektive als konstitutiv für das
Gedicht zu erachten ist, wenn es sich auch
zerstörerisch auf den Dichter auswirken kann
und – unter bestimmten, nämlich den von
Weinheber selbst durchlittenen Umständen –
muß. Dies bildet das mit dem Thema Sprache
verschwisterte zweite Grundmotiv des ganzen
Werkes.
Ergebnishaft ist ein als Akrostichon auf den
Buchtitel konstruiertes Schlußghasel [13] an das
Ende des Hauptteils von Hier ist das Wort
gesetzt. Man male sich aus, was es bedeutet
hätte, ein derartiges Buch in jener Zeit zu
veröffentlichen, zu der es sein Autor vorsah;
man vergegenwärtige sich, was es bedeutet, daß
das Buch unter dieser Voraussetzung
geschrieben ist:
Halt an, den Atem halte gewaltig an!
In dieser Sprache malte ich Glück und Wahn.
Es hat mich nicht gelüstet nach Ruhm und Rang.
Rückblickend steht verwüstet, was ich getan.
Ich wollte eine Größe aus Blut, gedrang:
So gab ich mir die Blöße als reifer Mann.
Todbringende Empore, die ich erschwang!
Doch r a u n t mir noch im Rohre der stille Pan.
Als Spätling der Gestalter war ich bestellt,
sehr treu zu singen Alter, Gesetz und Plan.
Was immer in dem Niedergang stirbt und fällt,
obsiegend immer wieder, es sieht dich an.
Reich mir die Hand, bezeuge: Das Abendland
trug letzte Frucht. So schweige, wer reden kann...
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Anhang
Spätwerk
(10) Siehe SW IV 23 (Über den Unfug der
Gebrauchslyrik, 1931), weiters 52, 60f., 95, 263 etc.
(11) Brief an Heinrich Zillich vom 8.
10. 1927, in: Zwei Briefe an Heinrich
Zillich, S. 3.