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Bedeutung und Ort in der Literaturgeschichte
Josef Weinheber (geboren am 9.
3. 1892 in Wien-Alservorstadt,
gestorben am 8. 4. 1945 in
Kirchstetten in Niederösterreich
an einer Überdosis Morphium) ist
wohl der bedeutendste
österreichische Lyriker der
Generation nach Rainer Maria
Rilke und Georg Trakl und vor
Ingeborg Bachmann und Paul
Celan. Zu diesen heute freilich
ungleich renommierteren
Dichtern steht sein noch vor
wenigen Jahrzehnten
vielgelesenes, höchst lebendiges
Werk in einem auffälligen, jedoch
kaum beachteten
Kontinuitätszusammenhang in
ideeller und motivischer Hinsicht
ebenso wie im Sprach- und
Stilbewußtsein. Das besondere Verdienst
Weinhebers ist es, sein Gedichtschaffen in
lebenslanger Auseinandersetzung mit dem
Sprach- und Formdenken von Karl Kraus und
mit dessen – spezifisch österreichischen –
Traditionen zu einer in bis dahin unbekannter
Weise verdichteten „Sprachkunst“ (so
lautet auch der poetologische Leitbegriff)
vorangetrieben sowie deren Grundsätze
und Gestaltungsmöglichkeiten auch in
der Poetik umfassend fixiert zu haben.
Die historische Vielfalt formaler und
genrehafter Spielarten erfährt in
Weinhebers Werk dergestalt eine
Integration in den Sinnzusammenhang,
daß sowohl die phonologischen
Strukturen („Lautsymbol“, „Innere
Form“) als auch die außerlexikalischen,
metrisch-rhythmischen Ordnungsmuster
(„Klaviatur der äußeren Formen“) selbst
systematisch zu Komponenten der
Gedichtbedeutung werden. Im Lichte des
pessimistischen Idealismus eines
Schopenhauer und der stoischen
Philosophie – weniger direkt und mit
größerer Distanz werden u. a. Einflüsse
Nietzsches, Spenglers, Otto Weiningers
integriert – entwickelt Weinhebers Dichtung früh
ein ganzheitliches Weltbild mit einer relativ
konstanten, chiffreartigen Leitmotivik. Diesem
heroisch-tragischen, existentiell ausgesetzten
Humanismus entspricht künstlerisch das
Bekenntnis zur „bewahrenden“ Aufgabe des
eigenen Schaffens (im „Untergang“ des
abendländischen Zeitalters), mithin zum
„Epigonentum“ im Krausschen Sinn, das
keineswegs mit einer „neoklassizistischen“
Kunstauffassung oder ähnlichem verwechselt
werden darf. Der kontemplativen Kreativität der
Sprache, der Kunst und der geistigen Arbeit
überhaupt wird dabei explizit eine verwandelnde,
Welt im eigentlichen Sinne erst schaffende und
gestaltende Funktion überantwortet. Die Stellung
des Künstlers „gegen die Zeit“ leitet sich als
metaphysische Notwendigkeit gewissermaßen aus
der Seins-Opposition des reinen Kunstwerks zur
„tatberauschten“ Gegenwart ab.
Der Eindruck, den der ebenso faszinierende wie
unverwechselbare Weinhebersche Stil auf die
lyrische Produktion seiner Zeit macht, ist groß und
in seinen Ein- und Auswirkungen kaum
überschaubar. Die eigentlichen künstlerischen
Wirkungslinien sollten jedoch auf wenige
bedeutendere Autoren, die in einem inneren
weiter
Anhang
Spätwerk
Porträt des Dichters von Edwin
Grienauer, 1934