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Aus der Gewißheit der Katastrophe und
aus dem Bewußtsein, in ihr auch
persönlich versagt zu haben, erwächst
Weinhebers letztes großes
sprachkünstlerisches Werkvorhaben,
das Projekt einer mimetischen Poetik.
Während eines zweimonatigen
Aufenthalts in der Heilstätte Inzersdorf,
die ein alkoholbedingter physisch-
psychischer Zusammenbruch
notwendig gemacht hat, entsteht im
Frühjahr 1940 der Plan und eine erste
Serie von Gedichten. 1939 ließ sich
Weinheber wider Willen bewegen, die
formelle Herausgeberschaft der
Zeitschrift Der Augarten, welche von
dem der Wiener Kulturadministration
nahestehenden „Wiener Dichterkreis“
neu eingerichtet wurde, zu übernehmen
(die Redaktionsgeschäfte obliegen Edmund
Finke). Hier erscheinen ab Mai 1940 die ersten
Gedichte, die für das neue Werk bestimmt sind.
Sie zeigen, daß zu der Poetik zunächst auch
eine ebenso mimetisch, d. h. zugleich lehrhaft
darstellend und künstlerisch exemplifizierend
angelegte Grammatik, also eine „Sprachlehre“
im engeren Sinn, gehören soll.
Im Herbst des Jahres 1941 wird
diese ursprüngliche Konzeption
des bereits gesetzten Buches
revidiert, die sprachkritischen
Gedichte (z. B. der kleine Zyklus
Die Satzzeichen) und die
satirisch-didaktischen
Versnotizen werden wieder
herausgenommen und später zu
dem sog. Glossarium
ausgebaut, einer ebenfalls für
den Druck bestimmten Auswahl
seiner Epigramme, Versglossen
und kritischen Impressionen, mit
der sich Weinheber vor allem in
der letzten Zeit vor seinem Tod
befaßt. Anfangs trägt das neue
Werk den Titel Zur Sprache, nach
der Revision wird es in Hier ist das Wort
umbenannt. Im September 1944 erteilt der
Dichter das Imprimatur, aber kriegsbedingt kann
das Buch, das „dem Kärntner Maler und Bauern
Dr. Werner Berg in Freundschaft“ gewidmet ist,
zu Lebzeiten des Verfassers nicht mehr
erscheinen. Erst zweieinhalb Jahre nach seinem
Tod gibt es die Witwe Hedwig Weinheber bei
Otto Müller in Salzburg heraus, wo es weitere zwei
Jahre später bereits die zweite Auflage erlebt.
Weinhebers Vorhaben sieht sich dem „königlichen
Gedanken“ verpflichtet, eine untergehende
Sprache zu retten“ oder zumindest den „Protest
gegen einen Untergang, der vielleicht schon
vollzogen ist“, zu formulieren [1]. Beide
Titelvarianten unterstreichen die Herkunft und das
Ziel des Werkes: In direktem Zusammenhang mit
der auch durch die epigrammatische Arbeit
(Abenteuer des Ohres; Sprachtod; Sein, haben,
werden; Gestanden ist gestanden etc.)
dokumentierten polemisch-kritischen
Auseinandersetzung mit dem kriegsführenden
Deutschland unter nationalsozialistischer
Herrschaft stehend, ist für Weinhebers Spätwerk
die Wiederverstärkung des literarischen Dialogs
mit Karl Kraus charakteristisch. Der endgültige
Titel, dem zentralen Gedicht Als ich noch lebte ..
entnommen, rekurriert solcherart sowohl auf das
berühmte letzte Gedicht von Kraus, Man frage
nicht (Oktober 1933) – „Das Wort entschlief, als
SPÄTWERK: Hier ist das Wort (1944/47), satirisches Glossarium
weiter
Anhang
Spätwerk
(1) Brief an Gerda Janota vom 18. 4.
1940, Privatbesitz Christian Weinheber-
Janota, Kirchstetten.