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jene Welt erwachte.“ [2] – als auch auf einen
so komplexen polemischen Text wie Warum die
Fackel nicht erscheint (Ende Juli 1934), in dem
der Satiriker seine Haltung gegenüber dem
Phänomen des völkischen „Troglodytentums“ auf
höchst unkonventionelle Weise klärt:
„Leitartikler, die mit Blut schreiben; Schwätzer
der Tat. Zwar Troglodyten, haben sie doch die
Höhle bezogen, als die das gedruckte Wort die
Phantasie der Menschheit hinterlassen hat; und
daß sie des Zierats entbehren oder ihn nicht
nachstümpern können, ist gewissermaßen ihr
kultureller Vorsprung. Die Tat hat sich einmal
der Phrase entwunden und daß diese ihr weiter
aufgestülpt bleibt, hat nichts mehr zu bedeuten;
es ist nur noch grotesk. Dem Geist kann sie
nichts mehr antun.“ [3] „Was immer in der
Fackel stände, es erschiene unter dem Schutz
einer toten Sprache: der deutschen. (Getarnt.)“
[4]. Das kulturethische Sprachdenken
Weinhebers stützt sich aber in Hier ist das Wort
auch auf philosophische und theologische
Grundlagen, die erst in dieser Schaffensphase
entschieden zur Geltung kommen, wie etwa den
verzweigten Komplex der Logos-Gedanklichkeit,
welcher dem späten Weinheber durch die
Befassung mit der vorsokratischen griechischen
Philosophie (Heraklit) einerseits und durch die
neuerliche Hinwendung zur Heiligen Schrift
(Johannes-Evangelium) andererseits zuwächst.
In letzterer Hinsicht ist es mit einer zunehmenden
Sympathie für den Katholizismus bzw. mit der
zumeist jetzt erst erfolgenden Rezeption einzelner
christlicher Konzepte innerhalb der sog.
Konservativen Revolution (z. B. Friedrich Alfred
Schmid Noerr, Clemens ten Holder als
Vermittler älteren deutschen Sprachdenkens, auch
Theodor Haecker, Romano Guardini u. a.)
verbunden.
„Zur Sprache“ ist nicht nur als Angabe des
Buchthemas zu verstehen, sondern auch als
Imperativ, als Appell zu lesen: In der Sprache, die
in den Kriegsjahren das zentrale und alleinige
Thema des Dichters Weinhebers geworden ist,
beruft er „angesichts der äußersten
Lebensbedrohung die stärkste, die geistigste
Kraft, in der er das Leben gegründet weiß.“ [5] In
der konsequent radikalisierten Hinwendung zu ihr
und in der Vertiefung in ihre Formen- und
Gestaltenwelt glaubt der Dichter die einzige
Möglichkeit gefunden zu haben, noch einmal ein
der furchtbaren Zeit des Humanitätsverlustes und
des kulturellen Untergangs gemäßes Schaffen
entfalten zu können. Diese Möglichkeit ist aber
„erkauft“ durch das Bewußtsein, selbst im
Weltlichen abgeschlossen zu haben und gleichsam
ganz aus einer Position der „Verneinung des
Willens zum Leben“ im Sinne Schopenhauers zu
sprechen: „[...] und es bleibt die Sprache nun /
mein ein- und alles. Wie die Toten ja / erst rein
die Sprache haben und in ihr / verherrlicht sind.
Ich sehne mich nicht mehr / nach andrem. Hier ist
Dauer. Hier erst bin / ich sicher mein. Kein
klobiger Pirat / verrückt mir mehr den Satz von
seinem Ort [...]“ [6].
Die Sprache ist in Weinhebers letztem Werk
gleichermaßen Ort der Zuflucht wie des
Widerstands. Zeitkritik ist Sprachkritik, und
umgekehrt. In der Sprache als in der
symbolischen Form ist das unersetzliche
Humanum bewahrt, und sie selbst entlarvt den
gegen dieses frevelnden Ungeist, die
Unmenschlichkeit an ihrem eigenen Gebrauch und
Mißbrauch. Folgerichtig gehen daher aus zwei dem
grundsätzlichen Nachdenken über ihr Wesen
gewidmeten Eingangsabschnitten, Hier ist das
Wort und Form und Gestalt, die fünf Kapitel
hervor, die sich den Faktoren des poetischen
Prozesses widmen: Das Melos, Der Reim, Vom
Rhythmus, Das Bekenntnis, Von den Formen.
Ergänzend werden in den beiden abschließenden
Kapiteln, Übersetzungen und Das angewandte
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Anhang
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(5) Jenaczek 1966 (Zeittafel), S. 459.
(6) Als ich noch lebte, SW II 591.