© 2019 Josef Weinheber-Gesellschaft  Die gesamten Inhalte dieser Website sind urheberrechtlich geschützt   Spätwerk Gedicht (Gelegenheitsgedichte; siehe oben, Schriften mit politischem Auftrag), noch zwei Sondergebiete der poetischen (Sprach-)Praxis und ihre spezifischen Probleme – grundverschiedene Formen des Dienens – veranschaulicht.  Das Werk erlangt seine besondere literarische Bedeutung dadurch, daß es sein Ziel einer „poetischen Sprachlehre und Poetik“ [7] gerade nicht auf dem Weg des konventionellen Lehrgedichts – im Sinn der bloßen verskünstlerischen Einkleidung von Lehrsätzen, Regeln und Anweisungen – zu erreichen sucht. Weinhebers Lehrgedichte sind zugleich Mustertexte, und als solche sind sie Gedichte – also lyrische Sprachkunstwerke – auch unabhängig von ihrer demonstrativen Funktion. So kann es sein, daß sich in den mittleren Abschnitten des Buches Texte befinden, die in der langen Tradition der radikalen Selbstbildnisse Weinhebers stehen und rückhaltlos Selbst- und Zeitgericht halten: so zum Beispiel in dem Kapitel Vom Rhythmus die Gedichte Als ich noch lebte – mit dem poetologischen Untertitel Jambus (scenicus) – und Der Leichnam – Untertitel: Trochaeus (pseudodramaticus) – oder parallel in dem Kapitel Das Bekenntnis die Gedichte Janus I und II und Mit fünfzig Jahren I-VI. Das lyrische Ich dieser Gedichte klagt sich selbst als einen ausweglos in Schuld verstrickten Menschen an: „Vielleicht, daß einer spät, / wenn all dies lang’ vorbei, / das Schreckliche versteht, / die Folter und den Schrei – // und wie ich gut gewollt / und wie ich bös getan; / der Furcht, der Reu gezollt / und wieder neuem Wahn – // und wie ich endlich ganz / dem Nichts verfallen bin / und der geheime Kranz / mir sank dahin“ [8], und es mißt zugleich der Epoche ihren Anteil an dieser Schuld bei: „Hineingeboren in mein Ich, / ich hatte nichts zu tun als echt zu sein. / Doch diese Welt stand fürchterlich / dagegen auf, mit blutigem Widerschein. // [...] // Was will die Zeit von mir? Ward mir Gebühr? / Geehrt hat mich die Macht, doch nicht gefragt. / So schließt sich nimmer das Geschwür. / Und alles, was ich sprach blieb ungesagt.“ [9]  Freilich verbietet sich auch im Hinblick auf diese „Bekenntnis“-Gedichte – die zwar Bekenntnis sind, dieses zugleich aber als eine der vielen Dimensionen der Sprachkunst innerhalb der Poetik auch demonstrieren wollen – eine eindimensionale Auffassung, die an diese Texte die geläufigen Maßstäbe der „Erlebnislyrik“ anlegt. Es findet sich darin, entgegen den bald nach Weinhebers Tod heftig einsetzenden Spekulationen, weder ein planes „politisches Schuldeingeständnis“ noch wird darin gar das bisherige Werk, als von solchen Verfehlungen „kontaminiert“, zurückgenommen. Zu berücksichtigen ist die angedeutete Kontextualisierung auch dieser Gedichte in dem Gesamtbau der Poetik; es gilt wahrzunehmen, welche ästhetischen Funktionen – eine weitere Art von Rollen in Weinhebers Werk – die Texte darin veranschaulichend innehaben, wie ihnen damit jeweils ganz bestimmte Facetten des inhaltlichen Spektrums zugewiesen werden und daß ihre „Facetten-Ichs“ also erst im Mit-, Gegen- und Ineinander ihre Quasi-Identität gewinnen. Weiters ist es wiederum unerläßlich, die vielseitige motivische Bedeutungsverflechtung und die starke Dialogizität der Texte (also das Spiel mit fremdem Sprachmaterial) zu beachten, die zu den philosophischen Konturen hinführt, die nicht nur das didaktische, sondern auch das „bekenntnishafte“ Sprechen umschließen. So geht es bei Weinheber niemals um die einzelne „Aussage“, deren sich der journalistisch operierende Zugriff zitatgerecht bemächtigt, sondern immer um das gestaltete Ganze: Daß das Gedicht keine „Aussage“ habe, gehört zu den in zurück Anhang Spätwerk weiter