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In seinem Brief vom 17. 9. 1932 an den jungen
Schriftsteller Friedrich Sacher nimmt Josef
Weinheber Stellung zu einem Kurzporträt seines
Schaffens, das Sacher in die literarhistorische
Skizze "Die neue Lyrik in Österreich" (Krystall-
Verlag, Wien 1932) veröffentlicht hat. Dabei gibt
Weinheber mit deutlich polemischem Unterton
ausführlich Rechenschaft über seinen geistigen
und künstlerischen Standort:
[...] Gestatten Sie mir nun, sachlich zu dem in
der Schrift über mich Gesagten Stellung
nehmen zu dürfen. Sie weisen darauf hin, daß
ich mich am Gedankengut Nietzsches entzündet
hätte. Dies trifft nur soweit zu, als mir
Männlichkeit, Adel, Opfersinn als
begehrenswerte Eigenschaften erscheinen. Aber
dieses (natürliche, nicht durch irgendeine
Philosophie festgenagelte) Postulat der
Wohlgeborenheit ist auch Gedankengut der
Stoa, Senecas, Marc Aurels. Mein tiefgehender,
organisch begründeter, das heißt von den
Nerven her konstitutioneller Pessimismus, der
den wahren geistigen Grundton für mein Werk
abgibt, wird Sie doch nicht an Nietzsche denken
haben lassen. Ich habe, auf einem bitteren Weg,
die Quintessenz meines geistigen Habitus nicht
bei diesem, sondern bei Schopenhauer
wiedergefunden, ohne sie allerdings bei
Schopenhauer abgeschrieben zu haben.
Dies ist aber vielleicht eine Frage sekundärer
Natur. Wesentlich in Ihrer Schrift ist, das Sie mich
einen Jünger Georges, oder eigentlich George
meinen Meister nennen. Diese Einreihung ist,
nach jeder Richtung hin, unrichtig. Ich habe für
den zitierten Lyriker niemals mehr als den
Respekt vor einer anders gearteten geistigen
Existenz empfunden. Von einer künstlerischen
Nachfolge kann (abgesehen davon, daß hiezu
Liebe gehört), schon deshalb keine Rede sein,
weil ich das Werk Georges nur in einem kleinen
Teil kenne; und zwar habe ich durch Doktor
[Othmar] Haeller, der mich auf die Bahn eines
Georgeaners hetzen wollte, im Jahre 1927 den
Siebenten Ring, und im Jahre 1928 das Buch der
Hirten (andre Bücher von George kenne ich – bis
zum heutigen Tag! – nur dem Titel nach) erhalten,
zu einer Zeit also, als ich mir über meinen
künstlerischen Weg, über die Möglichkeiten des
Dichterischen in bezug auf mich nicht nur bereits
völlig im Klaren war, sondern allenthalben den
Beweis einer ursprünglichen Begabung und
Persönlichkeit für eine allenfalls zugreifende
Literaturforschung erbracht hatte. Die Verse
Ich selbst berief mich zu dem strengen Werke.
Nicht Gnade nahm ich, Frost war meine Stärke.
Nie gab ich mich dem Gott der Zeit zu eigen.
Die mit mir leben, sind mir längst gestorben.
An ihrer Nacht hab ich das Recht erworben,
unangetastet in mein Licht zu steigen.
In einem hoffnungslosen Kampfe falle
ich weit voran, kein Mann der Ruhmeshalle,
jedoch der Ehre wert, daß jene schweigen. –
Diese Verse [s. SW II 9, Leitwort zu Adel und
Untergang] sind 1925 entstanden, sprechen also
meine geistige Haltung zu einer Zeit aus, wo ich
von George (im wortwörtlichsten Sinn) noch keine
Zeile kannte. Daß ein Österreicher – was an und
für sich ein Phänomen darstellt – den gleichen
sittlichen Willen wie der Deutsche George zur
absoluten Kunst aufbringt, läßt noch nicht den
1932: An Friedrich Sacher
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