© 2019 Josef Weinheber-Gesellschaft  Die gesamten Inhalte dieser Website sind urheberrechtlich geschützt   In seinem Brief vom 17. 9. 1932 an den jungen Schriftsteller Friedrich Sacher nimmt Josef Weinheber Stellung zu einem Kurzporträt seines Schaffens, das Sacher in die literarhistorische Skizze "Die neue Lyrik in Österreich" (Krystall- Verlag, Wien 1932) veröffentlicht hat. Dabei gibt Weinheber mit deutlich polemischem Unterton ausführlich Rechenschaft über seinen geistigen und künstlerischen Standort: [...] Gestatten Sie mir nun, sachlich zu dem in der Schrift über mich Gesagten Stellung nehmen zu dürfen. Sie weisen darauf hin, daß ich mich am Gedankengut Nietzsches entzündet hätte. Dies trifft nur soweit zu, als mir Männlichkeit, Adel, Opfersinn als begehrenswerte Eigenschaften erscheinen. Aber dieses (natürliche, nicht durch irgendeine Philosophie festgenagelte) Postulat der Wohlgeborenheit ist auch Gedankengut der Stoa, Senecas, Marc Aurels. Mein tiefgehender, organisch begründeter, das heißt von den Nerven her konstitutioneller Pessimismus, der den wahren geistigen Grundton für mein Werk abgibt, wird Sie doch nicht an Nietzsche denken haben lassen. Ich habe, auf einem bitteren Weg, die Quintessenz meines geistigen Habitus nicht bei diesem, sondern bei Schopenhauer wiedergefunden, ohne sie allerdings bei Schopenhauer abgeschrieben zu haben. Dies ist aber vielleicht eine Frage sekundärer Natur. Wesentlich in Ihrer Schrift ist, das Sie mich einen Jünger Georges, oder eigentlich George meinen Meister nennen. Diese Einreihung ist, nach jeder Richtung hin, unrichtig. Ich habe für den zitierten Lyriker niemals mehr als den Respekt vor einer anders gearteten geistigen Existenz empfunden. Von einer künstlerischen  Nachfolge kann (abgesehen davon, daß hiezu Liebe gehört), schon deshalb keine Rede sein, weil ich das Werk Georges nur in einem kleinen Teil kenne; und zwar habe ich durch Doktor [Othmar] Haeller, der mich auf die Bahn eines Georgeaners hetzen wollte, im Jahre 1927 den Siebenten Ring, und im Jahre 1928 das Buch der Hirten (andre Bücher von George kenne ich – bis zum heutigen Tag! – nur dem Titel nach) erhalten, zu einer Zeit also, als ich mir über meinen künstlerischen Weg, über die Möglichkeiten des Dichterischen in bezug auf mich nicht nur bereits völlig im Klaren war, sondern allenthalben den Beweis einer ursprünglichen Begabung und Persönlichkeit für eine allenfalls zugreifende Literaturforschung erbracht hatte. Die Verse Ich selbst berief mich zu dem strengen Werke. Nicht Gnade nahm ich, Frost war meine Stärke. Nie gab ich mich dem Gott der Zeit zu eigen. Die mit mir leben, sind mir längst gestorben. An ihrer Nacht hab ich das Recht erworben, unangetastet in mein Licht zu steigen.  In einem hoffnungslosen Kampfe falle ich weit voran, kein Mann der Ruhmeshalle, jedoch der Ehre wert, daß jene schweigen. – Diese Verse [s. SW II 9, Leitwort zu Adel und Untergang] sind 1925 entstanden, sprechen also meine geistige Haltung zu einer Zeit aus, wo ich von George (im wortwörtlichsten Sinn) noch keine Zeile kannte. Daß ein Österreicher – was an und für sich ein Phänomen darstellt – den gleichen sittlichen Willen wie der Deutsche George zur absoluten Kunst aufbringt, läßt noch nicht den 1932: An Friedrich Sacher weiter Anhang Spätwerk