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Spätwerk
Schluß auf eine geistige oder künstlerische
Nachfolge zu. Es können (sogar in unserer Zeit),
in zwei verschiedenen Ländern und bei
verschiedenen Lebensaltern zwei Menschen
Männlichkeit und Haltung miteinander
gemeinsam haben, ohne sich notgedrungen
kennen oder lieben zu müssen oder sonst
zueinander in irgend einem Konnex zu stehen.
Und was Sie als Gemeinsames empfinden, ist
nichts anderes als die strenge Haltung inmitten
einer Rotte von Halbschlächtigen, von
Nachsassen, von Durchschnittskünstlern. Sie
leiten aus einem Gedicht Georges, das ich
überhaupt nicht kenne, eine Steigerung ab, von
der eine meiner Oden ihren Impetus empfangen
haben soll. Nein, das dürfen Sie nicht! Sie
müssen sich mit der Vorstellung vertraut
machen, daß hier, in meinem Werk, ein Mensch
aus sich heraus, ohne Anlehnung, nur seinem
nachtwandlerischen Gefühl um Figur folgend,
dem überdimensionierten Temperament Wort
und zwar gemäßes Wort (Wort mit Maß und
Bändigung) verleiht. Wenn Sie unter einer
derartigen schöpferischen Erscheinung einen
Neoklassizisten sehen, so kann ich das nicht
verhindern. Aber der Widerspruch wird Ihnen
sogleich einleuchten, wenn ich Ihre eigenen
Worte zu meiner Charakterisierung miteinander
konfrontiere. Sie sprechen mir einerseits
„schlechthin genialische Wortgewalt“ zu.
Andererseits nennen Sie mich den bedeutendsten
Neoklassizisten der Österreichischen
Gegenwartslyrik. Nun ist genialische
Sprachgewalt, die ich mir wahrhaftig zutraue,
durchaus primär. Sie ist der Ausdruck für die
innerliche Gewalt des Künstlers. Nur der
Gewaltige hat Sprachgewalt. Es läßt sich also –
von einem sonstigen Schwächling – Sprachgewalt
nicht lernen, nicht anlesen: Weil sie eben
urverbunden (genialisch) mit dem Wesen des
Künstlers, eben eine primäre geistige Tatsache ist.
Neoklassizismus ist tertiär. Im Anfang war die
Klassik. Ihre Nachahmer heißen Klassizisten. Die
Nachahmer der Klassizisten heißen dann wohl
Neoklassizisten. Ich müßte mich also über
Klopstock, Schiller und Hölderlin entwickelt
haben, was durchaus falsch, und in Anbetracht
eines derart singulären und maskulinen geistigen
Komplexes, wie es der meine ist, geradezu
widersinnig ist. Mann könnte mich mit dem
gleichen Recht (und Unrecht) einen
Neohumanisten nennen, weil ich Sonette und
Terzinen schreibe, Dante und Michelagniolo als
große Manen verehre, die Kunstanschauung des
neunzehnten Jahrhunderts (als dem Ausläufer des
humanistischen Gedankens) der verrotteten des
zwanzigsten Jahrhunderts vorziehe, mich dem
„mediterranen Klima“, also der lateinischen
Exaktheit gegenüber der deutschen Trübe und der
österreichischen Defektheit angepasster fühle:
Man könnte mich mit dem gleichen Recht (und
Unrecht) einen Neopersizisten nennen, weil ich
eine Menge Ghaselen und persische Sinnsprüche
–: oder einen Neogotiker, weil ich – natürlich auch
– deutsche Holzschnittverse über Gott und die
Welt geschrieben habe.
Ich lebe, gezwungen durch die mir aus dem
allgemeinen Verschweigen meiner Leistung
erwachsene Kampfstellung, in einer heroischen
Luft. Ich fühle mich als Einzelner gegen meine
ganze Zeit stehen. Die Begriffe von Heldentum,
Adel, Opfer und Ausnahmeschicksal sind mit dem
Stempel stündlichen Mißbrauchs meiner
Menschen- und Künstlerwürde unauslöschlich in
meine Seele gestampft: Wie anders als in
heroischen Formen sollte ich heroischen
Seelenstoff bilden, verbildlichen! Und bin ich,
Weinheber, etwa zu Klopstock gegangen? Oder zu
Hölderlin? Nein! Ich schrieb Sapphische Strophen,
bevor ich Hölderlin kannte! Und ich schreibe sie
heute, wo ich unser aller Vorbild, die heiligen
Strophen der Aphroditeanrufung von der Sappho
selbst kenne, mit dem unumstößlichen
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