© 2019 Josef Weinheber-Gesellschaft  Die gesamten Inhalte dieser Website sind urheberrechtlich geschützt   Spätwerk Bewußtsein, als Erster, neuerlich als Erster, Aeolisches Lied den Deutschen gebracht zu haben. So wie Horaz es von sich und für Italien sagen durfte:                         ... es humili potens princeps Aeolium carmen ad Italos deduxisse modus ... Ich möchte, da ich von [Leopold] Liegler gehört habe, daß Sie sich mit meiner künstlerischen Erscheinung auch anderweitig und in breiterem Maße befassen wollen, und da ich annehme, daß Sie sich hiebei an die Methoden einer wissenschaftlichen Deduktion zu halten gedenken, einiges Richtige über mich sagen: Ich bin philosophisch von der Stoa beeinflußt, neige dem wissenschaftlichen Pessimismus zu und liebe infolgedessen Schopenhauer, von dessen Aphorismen zur Lebensweisheit ich einen starken Trost empfange. Sprachlich habe ich mich an Karl Kraus geschult, wenn ich hierunter die Sorgfalt um ein richtiges Deutsch, um das Grammatikalische und Dialektische der Sprache verstehe. Der Verführung, mich im Poetischen Duktus, in der äußeren Form, im leider so leicht erlernbaren Tonfall an ihn anzulehnen, habe ich mich frühzeitig widersetzt und entwunden. Gedichte wie „Weib und Künstler“ [s. SW II 241, Vereinsamtes Herz], „An eine Gefallene“, „Feuer des Ursprungs“ [s. SW III 149f.] sind Beispiele für diese Anlehnung, die ich immer als mich entehrend empfand, während ich mit dem eigentlichen Sprachgewinn, dem Sprachgewissen, das mir durch Karl Kraus zugewachsen ist, dankbar mein Werk fundiert habe (als entnommen, aber mir zueigen geworden). Während beispielsweise Felix Braun, der als großer Dichter ausgeschrieen ist, einfach die Melodie von Rilke abhörte, um seine schwächlichen Gefühle darein zu gewanden und ohne sich auch nur mit einem halbwegs eigenen Ton um sein eigenes Wesen zu bemühen (Weil es nicht existiert). Hier ist es vielleicht [...] auch am Platz, darauf hinzuweisen, daß ich in der wüstesten Zeit des Expressionismus (der die gleiche jüdische Erfindung ist wie heute der neue „epische Realismus“ eines [Theodor] Kramer: tollwütiges Seelenunvermögen des sekundären Menschen), daß ich in dieser wüstesten Zeit deutscher Geisteserniedrigung bewußt nicht mittat, wie meine damals (1920) in der Muskete erschienene Parodie auf das Werfel’sche Versgestammel [s. SW I/2 71f., Dichtung in Nacht] schon rein äußerlich bewiese, wenn nicht mein bis zu dieser Zeit vorliegendes Werk deutlich die bewußte eigene Bahn abspiegeln würde. Ich wurde damals von den Dummköpfen, die die literarische Meinung machen, als „Mörikeepigone“ verachtet, als hoffnungsloses Armitschkerl mit normalem Satzbau vornehm übersehen. Aber die rabiaten Größen von damals (die freilich wenigstens noch Größe mimten) sind tot, fortgeblasen von der immanenten Gerechtigkeit der Schöpfung, die alles Naturwidrige vernichtet. Ich hingegen fange gerade mit den damaligen Gedichten jetzt zu leben an, wie ich aus manchen anerkennenden Stimmen aus jüngster Zeit ersehe, die eben jene Gedichte goutieren, welche ich mitten im Expressionismus und in der Abwehr gegen ihn geschrieben habe. (während man natürlich meine heutige Odenlyrik einen düster individuellen Schwulst nennt, nachdem ich jetzt wieder auf die neue Sachlichkeit huste.) Ich komme nach dieser Exkursion zurück zu der Frage meiner Abhängigkeit von großen Vorbildern. Habe ich mich nun von dem Zauber Kraus’scher Versdialektik bald zu entziehen vermocht, so blieb mir, lange noch, eine einzig eigenartige Melodie als nicht in mir Gewachsenes haften: Die sechszeilige Zuchthausballadenstrophe von Oskar zurück Anhang Spätwerk weiter