© 2019 Josef Weinheber-Gesellschaft  Die gesamten Inhalte dieser Website sind urheberrechtlich geschützt   mit der Wendung der Theologie in Anthropologie, Ernest Renan. Ihr Impuls, in eine Formel gefaßt, lautet: Der menschliche Geist - Erscheinungsweise eines werdenden Gottes; das Sein und Werden Gottes - gebunden an den menschlichen Geist. Solche Logos-Gleichung von Gott und Geist fundiert Weinhebers "tragischen Humanismus" noch in den dreißiger Jahren. In ihnen setzt er, mit Karl Kraus' Sprachauffassung als Basis: Gilt der Satz, daß Sprache Materialisation, "Wirklichkeit des Geistigen" ist, so gilt auch der Satz "der Geist wäre nicht ohne die Sprache", - ohne den Logos, der den Menschen von aller übrigen Kreatur unterscheidet und zu seiner Höherentwicklung aufruft. Dieser Gedankengang läßt, einerseits, Weinheber die "Sprachkunst" der Hauptwerke über die am Stofflichen orientierte "Gehrinreimerei" seiner Jugendwerke stellen; er zeigt, andererseits, die Einheit des Gesamtwerks. Das erste Gedichtbuch, Der einsame Mensch  (1920), bleibt unverkauft. 1929 wertet es Theodor Lessing als ebenbürtig den Gipfeln proletarischer Lyrik - Jiří Wolker, Fráňa Šrámek, Petr Bezruč. Inzwischen aber hat Weinheber auf den Mißerfolg durch die "Wendung zur Sprache" reagiert; er strebt danach, seine bis dahin thematisch ausgerichtete Kunst fortan in den Strukturgesetzlichkeiten ihres Materials, der Sprache, zu begründen: Von beiden Ufern  (1923), Boot in der Bucht (1926). Er will das finden, was ein Gedicht zum Gedicht mache, und geht aus von Trakl (Kontakte mit dessen Schulfreund Erhard Buschbeck) als dem Gegenpol seiner eigenen zu direkten Aussage und von dem Sprachdenken Karl Kraus'. Theoretische Äußerungen, nicht zahlreich oder relativ spät, erlauben es dennoch (insbesondere, wenn der geistesverwandte Strukturalismus Jan Mukařovskýs zu Rate gezogen wird), Weinhebers Praxis zu dechiffrieren. Er unterscheidet zwischen Präszision der Aussage und Präszision der Gestaltung. Sein die Versuche der Moderne so voraussetzendes wie überholendes Verfahren will - wie diese - das Automatenhafte der Nutz- und Gebrauchssprache auflösen, ohne jedoch lexikalischen Preziositäten den Vorrang zu geben oder Besonderheiten der Wortbildung und Grammatik oder Äußerlichkeiten wie Schreibung und Zeichensetzung. Es gibt auch keine verfremdende (deformierende) Dominante; vielmehr verstärkt Weinheber die bedeutungsmäßige Funktion aller nicht- denotativen Sprachmittel, von den phonologischen Elementen aufsteigend über Euphonie, Intonation, Metaphern, Figuren, Reim, Syntax und Rhythmus bis zur Vielheit der (deutschen, romanischen, antiken) Gedichtformen. Die Form an sich wird begriffen als die Verdichtung semantischer Wechselseitigkeit, als Ineinander und Verschränkung aller dieser Komponenten des Gedichts [4], so daß die Konnotationen nicht mehr bloße Begleitung der Denotationen sind. Weinheber integriert sie auch nicht nur als deren Gegengewicht: sie werden konstitutiv, ihr Verweisungszusammenhang begründet das Gedicht. Es appelliert, dies hat Kraus gelehrt, an das Vorstellungsvermögen des Lesers, nicht nur an sein "Verstehen" (Dilthey). Ent-formalisiert (d. h. nicht mehr Einkleidung von Inhalten), wird es auch ent-psychologisiert: es ist nicht als "Ausdruck" (Croce) eines "Gefühls" zu begreifen, Struktur bricht das vulgäre Monopol des Vokabulars, des Wortbestands. "Ihre Heroische Trilogie las ich mit Freude [...] in meiner Bewunderung ist ein großer Schmerz um Ihre Hoffnungslosigkeit [...]", schrieb Theodor Lessing über diese Entwicklung der Lyrik Weinhebers (Anfang Nov. 1930 [5]). Das Sprachkunstwerk resultiert, bei Relevanz im Humanen, aus der Polarität von Diktion und Gestaltung; der Weg muß, konsequent zu Ende gegangen, zu dem Versuch einer dichterischen Poetik in Beispielen führen, die - Hier ist das Wort (postum, 1947) - das Können am Maßstab des Menschlichen prüft. Weinheber ist sich seiner Gefährdung bewußt: "In einem erniedrigenden Ringen um Anerkennung, zwanzig Jahre lang, wuchs er künstlerisch zu einer Größe, der sein menschlicher Habitus nicht nachkam, und als ihn über Nacht der Ruhm antrat - bald nach 1933 -, ging der Mensch an dem zweischneidigen Erfolg zugrunde. Jahrzehntelang wurde er verkannt, zurück weiter