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aber nie verhängnisvoller als in den wenigen
Jahren seines Triumphs, in dem er von der Nation
viel gepriesen, viel gefeiert, viel gelesen wurde.
Und er wußte es. ,Geehrt hat mich die Macht,
doch nicht gefragt ...'" (Ernst Stein [6]).
Kritikern erscheint, noch bevor Weinheber
bekannt wird, die Rigorosität seiner
Kunstgesinnung der Paul Valérys vergleichbar.
Der unerwartete Durchbruch gelingt Weinheber
mit Adel und Untergang (1934); der Titel
gemahnt an ein Wort Stefan Georges, das
Weinheber akzeptiert: "Wer adel hat erfüllt sich
nur im bild / Ja zahlt dafür mit seinem
untergang" (Der Stern des Bundes, 1914, Erstes
Buch, 23. Gedicht). Die Anspielung signalisiert
jedoch Widerspruch, nicht Anlehnung, sondern
Konfrontation: Weinhebers "Dichter", "Held von
neuer Art", "erhabner Gründer im Verlust", ist
"Führer" des Volks nicht im Sinne des George-
Kreises, sondern als "Sprachkünstler" in dem
Sinn, wie Leopold Liegler (7), der "Weise mit
dem adeligen Herzen", das Wort versteht: er
"singt den Kanon rein, / lebt zurück zum Lied", er
führt das Volk "zur Sprache", wie Hier ist das
Wort ursprünglich hieß; darum wird von ihm
gesagt (vgl. Kraus' Auseinandersetzung mit
George, deren Kenntnis Weinheber vorausetzt),
er (kein anderer!), "er birgt den Keim der Seinen
in der Brust / und wehrt dem Untergang im
fahlen Tag". Die poetologische Position
Weinhebers steht in polarem Gegensatz zu der
Georgeschen Haltung. Auch muß beachtet
werde, daß sein Gebrauch der antiken Strophen,
wie Hölderlins Beschränkung auf nur zwei
"Tongeschlechter" (Beißner), semantisch
motiviert ist; er hat nichts zu tun mit der nach
dem Verklingen der Neuen Sachlichkeit
erneuerten Geltung klassischer Muster, mit dem
zwischen 1926 und 1956 verbreiteten
Neoklassizismus, dem Weinheber - ein
Einzelgänger, großer Außenseiter - aufgrund
seines Selbstverständnisses und der objektiven
Struktur seiner "Sprachkunst" nicht zugerechnet
werden darf (8). Daß ihn die Zeitgenossen den
traditionsgebundenen Autoren jener epigonalen
Jahre zurechnen, ist eines jener
"Mißverständnisse", als die Weinheber seinen
"Ruhm", zu seinem Vedruß, erkennt. Auch ist die
mit Adel und Untergang angestrebte
Unterscheidung zweier Orientierungen, hier eine
an der "Sprachwelt" der Fackel, dort die an dem
Sprachstil des George-Kreises, dem Publikum
und der Kritik noch nicht bedeutsam geworden.
Wien wörtlich (1935) steht am Beginn der
neuen Vorliebe für Mundartlyrik, ohne ihr Vorbild
geworden zu sein: Denn gerade das Besondere
dieser Gedichte, die Unterscheidung und die von
Weinhebers Kunstverstand bestimmte Wahl
verschiedener Dialektschichten, findet keine
Nachfolge. In der Späten Krone (1936) wird das
mit der Heroischen Trilogie eingeführte Künstler-
Thema fortgesetzt. Der gestufte Aufbau verweist
auf den im dritten Kronreif, in der erhöhten Mitte
des Buches, Dem kommenden Menschen
gewidmeten Hymnus. Wer dabei das aus dem
19.Jahrhundert überkommene, vor allem mit dem
Namen Richard Wagners verbundene Pathos
der "Kunstreligion" assoziiert, verfällt einem von
außen, wiederum aus den Denkgewohnheiten des
deutschen Bildungsbürgertums, an Weinheber
herangetragenen Mißverständnis; es bleibt an
Oberfläche, erklärt aber die Divergenz der bald
überschwenglichen, bald absprechenden ("Gips")
Beurteilungen. Zu überprüfen wäre die
Berechtigung von Lieglers religiös grundierter
Kritik des Sonettenkranzes An die Nacht (9). Das
"erbauliche Kalenderbuch" O Mensch, gib acht
(1937) ist ein Beispiel für die Möglichkeit
künstlerischer Gestaltung eines Themas, das
durch die Stoffästhetik der gängigen "Blut und
Boden"-Doktrin gefährdet ist; wenige Wochen,
nachdem der Reichsleiter der NSDAP, Robert
Ley, drohte: "Wer so etwas schreibt oder druckt,
gehört ins KZ [...]" (10), wird der
Verlagsdirektor, Gustav Pezold, abgesetzt. Die
zeit- und literaturkritischen Positionen der
essayistischen Schrift Im Namen der Kunst
(1936), deren Veröffentlichung dem Verlag zu
riskant erschien, sind in die Polemik der vierzig
Oden Zwischen Göttern und Dämonen (1938)
eingegangen. In ihnen wird gefragt, ob
Individualismus und Liberalismus am Ende, ob sie
widerlegt sind, ob die alte von einer neuen Zeit
abgelöst wird. Diese Frage wird gestellt in Jahren,
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(6) Stein: Der verblendete Seher (Anm.
2), S. 24, Sp. 1.
(7) Vgl. den Kommentar SW IV 696ff.
(8) Siehe den Brief an Friedrich Sacher
vom 17. 9. 1932, WN V 67ff., sowie den
Brief an Gerda Janota vom 9. 3. 1945,
SW IV 710f.
(9) Vgl. den Brief an Friedrich Sacher
vom 19. 5. 1949, Nachlaß Sacher in der
Handschriftensammlung der
Wienbibliothek im Rathaus (früher
Wiener Stadt- und Landesbibliothek),
Nr. 175, Kart. 7.
(10) Siehe den Kommentar SW I/1 431.