© 2019 Josef Weinheber-Gesellschaft  Die gesamten Inhalte dieser Website sind urheberrechtlich geschützt   Anhang Bei Wien wörtlich ist es der „eminente Sprachgeist Nestroys [1], der, vermittelt durch Karl Kraus  (Nestroy und die Nachwelt, 1912, etc.), hinter der literarisch- künstlerischen Dimension des Werkes steht. Das Buch zeichnet das Porträt der Heimatstadt entlang der verschiedenen Schichtungen des Dialekts – einschließlich eines österreichisch gefärbten „Hochdeutsch“ in vielen Nuancen –, also der jeweiligen Varietäten in vorwiegend landschaftlich-sozialen (z. B. Das Ross, Der Stammgast, Die Kaffehauspositur), vorwiegend situativen (z. B. Moralischer, Die Werbung), vorwiegend funktionalen (z. B. Der Präsidialist, Der Ober an den Stift) und vorwiegend historischen (z. B. Ancien Regime, Colombingen) Kontexten. Komik und Satire bezieht es aus der Einlassung auf den Dialekt als gleichrangiges Material literarischer Kunst und zugleich aus dem Ineinander – das oft genug ein Gegeneinander ist – von hochsprachlichen und dialektalen Strukturen. Mithin aus einem genuin sprachgebürtigen Humor, nicht aus einem durch stoffliche Reize, etwa durch Derbheiten und Groteskes, erzeugten Witz. Im Zentrum stehen das Rollengedicht (vom Typus Der Phäake, Der Philosoph) und die Genreszene (vom Typus Die Landpartie, Wurstelprater, Beim Heurigen); sehr oft verstärken dialogische Aufbaustrukturen den dramatisch-theatralischen Charakter und rücken die Texte in die Nähe von Theaterliedformen. Das Spektrum der vom satirischen Sprachgeist kreierten Tonfallstudien reicht von erhellenden, entlarvenden, typisierenden und figurativen Wirkungen über eine Vielfalt von Sprechweisen – polemisch scharfe (Wir Wiener, Sieg der Provinz, Wienerisch, Synonyma etc.), komisch heitere (Der Auflauf, Uniformen in der Republik etc.) oder pathetisch preisende (Hymnus auf den Kahlenberg, Auf eine Wienerin, Blick vom oberen Belvedere) – bis zu nachdenklichen und elegischen Szenerien (Verschwundenes Wien, Sieveringer Elegie, Alt-Ottakring, Elegie auf den Tod eines alten Wieners etc.). Auch sozialkritische Motive finden Platz (z. B. Vorstadtgasse im Sommer, Ballade vom kleinen Mann). Der Autor trägt die Maske des Wiener Volkssängers – man beachte diesbezüglich den Leitspruch, einen komplexen, auch gestalterisch programmatischen Text – und schafft so eine mit selbstironischen Lichtern durchsetzte Distanz, wie er sie für sein übriges lyrisches Werk kaum gelten läßt. cf Wien wörtlich (1935) Spätwerk