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Spätwerk
Anhang
Auch außerhalb der Lyrik entstehen
mehrere Nebenwerke, denen
Weinheber aber keinen vergleichbaren
künstlerischen Rang beimißt: Dazu
zählen neben einem stilistisch an
Ibsen und Strindberg geschulten
frühen dramatischen Versuch, Genie
(1918, zu Lebzeiten ungedruckt und
unaufgeführt), vor allem drei Romane –
Das Waisenhaus (1924, Vorabdruck in
Fortsetzungen in der Arbeiter-Zeitung,
Buchausgabe im Burgverlag, Wien 1925
[erschienen Ende 1924]), Paradies der
Philister (1927/28, zu Lebzeiten ungedruckt,
gekürzte Fassung unter dem Titel Der
Nachwuchs in Fortsetzungen im Neuen Pflug,
1928), Gold außer Kurs (1931-1933,
überarbeitet um 1940, zu Lebzeiten ungedruckt)
–, ferner zahlreiche erzählerische und
betrachtende Skizzen. Diese Arbeiten haben für
Weinheber in erster Linie Gebrauchskunst-
Charakter, denn sie sollen helfen, dem
wesentlichen Schaffen, der Lyrik, den Weg an
die Öffentlichkeit zu bahnen. Diese Strategie
mißlingt freilich: Die Romane kommen dem
Publikum zwar an der Oberfläche entgegen, sie
bewegen sich innerhalb einer
konventionellen spätrealistischen
Darstellungssphäre, Weinheber
entwickelt in der Prosa kein
Äquivalent zu den unvertrauten
ästhetischen Ansätzen seines
lyrischen Sprechens. Aber stofflich
und thematisch gehen die Romane
keine Kompromisse ein. Als
Milieustudien mit autobiographischen Zügen
angelegt – die pubertierende Jugend im
Waisenhaus, die orientierungslose
Vorstadtadoleszenz während der Inflationszeit,
das Mannesalter zwischen subalterner
Bürotristesse und dem grotesk anmutenden
Scheitern im Wiener literarischen Betrieb –,
macht Weinheber die wenig handlungs- und
spannungsreichen Texte durchlässig für
symbolische Konstellationen. Obwohl also eine
Fülle von persönlichen Erlebnissen und
Erfahrungen, von Orten, Räumen und Ereignissen
des eigenen Lebens in die Geschichten verwoben
ist (bis hin zu dem besonders in Gold außer
Kurs zum leitenden Verfahren gemachten
dokumentarischen Zitat), sind Weinhebers „Auch-
Romane“ (Friedrich Jenaczek [1]) keine
„Schlüsseltexte“ im biographischen Sinn und es
verbietet sich, seine Protagonisten geradlinig als
Porträts und Selbstporträts zu „entschlüsseln“.
Vielmehr gilt die konnotative Textur dieser Werke
Problemen der Kunst, des Künstlers und des
Künstlertums in der Zeit, sie entwickelt, auf
verschiedene „realistische“ Ebenen und
Figurationen verteilt, Situationen und Prozesse, in
deren Form sich der Autor mit seinem für die Zeit
der Abfassung relevanten künstlerischen Standort
auseinandersetzt.
cf
Romane
Anhang
Spätwerk
(1) Vgl. Friedrich Jenaczek: Im
Hinblick auf Josef Weinhebers
„Romane“ (Anti-Muschg), in:
Jahresgabe 1959, Josef Weinheber-
Gesellschaft Wien, S. 32-74, hier bes.
50ff. Vgl. ferner den Kommentar in
SW V, bes. 718, 748, sowie in I/2,
bes. 460f.
Das Waisenhaus (Titel der Buchausgabe,
1925)