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Der Zyklus Zwischen Göttern und
Dämonen, dessen jeweils vierteilige Abschnitte
bei der sukzessiven Erstveröffentlichung im
Inneren Reich noch unter der programmatischen
Überschrift Fragment erschienen, sollte in
Buchform zunächst den provokativen Titel
Zwischenreich tragen. Indem er als Kunstwerk
an die Stelle des Essays Im Namen der Kunst
tritt, dessen von Langen-Müller für Herbst 1936
angekündigte Veröffentlichung an den sich
verschärfenden Bedingungen des Dritten Reichs
scheiterte (siehe unten, Kleine Schriften), stellt
er das bedeutendste Beispiel für den erwähnten
Modus des „öffentlichen Sprechens“ dar (siehe
oben, Adel und Untergang): Hier entwickelt
Weinheber in einer scheinbar geradezu
„durchsichtigen“, zierlos-unpathetischen
Sprache die höchste Verdichtung seines
philosophischen, zeit- und kulturkritischen
Denkens. Fragend und prüfend, ohne feste
Antworten parat zu halten, und
konsequenterweise unter starker Zuhilfenahme
intertextueller (zitathaft-dialogischer)
Gestaltungsweisen (Rilke, Hölderlin) wird das
bruchstückhaft anmutende Sein und Wesen des
Menschen in einer Situation des eklatanten
Transzendenzverlustes abgeschritten. Der
charakteristische Wechsel der Strophenformen
signalisiert, daß einmal in jedem der zehn Oden-
Quartette Weinheber selbst hervortritt, pro domo
sprechend (sog. „Weinheber-Strophen“), während
in den übrigen Gedichten das Gespräch aus
anderen, oftmals kontroversen Perspektiven
fortgesetzt wird. Aber nicht mehr die ethische
Ausnahmeerscheinung – der geistige Heros, das
Heldentum der Erkenntnis, das in Adel und
Untergang für Kunst und Leben gepriesen und
gegen die Zeit behauptet wird – steht im Zentrum
der Auseinandersetzung, sondern das trotz allen
Zwängen jedem Mögliche: der Mensch der „Mitte“,
einer maßvollen Menschlichkeit. Kann und soll der
moderne Mensch gegen die Anfechtungen, die ihm
aus der Selbstaufgabe im Zeichen der
kollektivistischen Ideologien einerseits und aus
der Hybris der „instrumentellen Vernunft“
(Horkheimer/Adorno) andererseits erwachsen
sind, jene Identität als Individuum bewahren, die
erst eine tapfere Besonnenheit zu gewinnen
vermag, welche sich aus dem Bewußtsein einer
notwendigen transzendenten Seinshierarchie
begreift? „Immer nämlich ist ja der Tapfre – und
dies / Lied meint nur den Tapfern – besonnen: in
der / Mitte zwischen unten und oben: mit dem /
Mut zu sich selber. // Wagend unter lauter
Betrunknen seine / weiße Nüchternheit, dieses
klare Sehn der / Dinge. [...]“ [1] Ihr
Hineingestelltsein in eine Beziehung zu den
oberen wie zu den unteren Mächten erscheint als
das wesentliche und einzig gewisse, von Sprache
und Kunst offenbarte Konstituens der von
Fragwürdigkeiten und Unsicherheiten
verdunkelten Welt: „Dieses eine / „Ich“ bleibe
stehn! Es gehört zum Menschen.“ [2]
cf
Zwischen Göttern und Dämonen (1938)
Anhang
Spätwerk
(2) Ode 40, Schlußworte des Zyklus,
SW II 437.