© 2019 Josef Weinheber-Gesellschaft  Die gesamten Inhalte dieser Website sind urheberrechtlich geschützt   Auch mit Kammermusik verfolgt Weinheber den Versuch, etwas „Zeitgemäßes“ in der höheren Bedeutung des Wortes zu schreiben [1] – womit gerade nicht gemeint ist, der Zeit nach dem Mund zu reden, sondern im Gegenteil: etwas zu schaffen, was seine Gültigkeit auch aus dem Bewußtsein bezieht, mit dem es jene Ebene des Tages, durchschauend, übersteigt: Unter der Drohung des Krieges und in einer Atmosphäre, in der der Militarismus die öffentliche Rede bestimmt – „in einer Zeit, die von Heroik nur so staubt“ –, scheint für Weinheber dieses „Zeitgemäße“ gleichsam in einer Wider-„Tat“ zu liegen, also darin, das entscheidende Recht des Kontemplativen gegenüber dem Aktiven, des (Nach-)Denkens und Fühlens gegenüber der großsprecherischen Phrase und dem besinnungslosen Tätertum zu betonen: ausgedrückt in der Hinwendung zum „Artistischen“ einerseits, in der Betonung des „Intimeren“ andererseits [2] („die Kammer, das Ich“ [3]). Damit wird das Buch zugleich zu einer bewußten Demonstration des „Österreichischen“ [4] – in dem Sinne, in dem dieser Begriff für den späten Weinheber, jenseits des Klischees, zur Chiffre des von einem bestimmten kulturlandschaftlich gesicherten Traditionsbewußtsein gespeisten Widerspruchsgeistes geworden ist. Die Lyrik versucht die Form- und Gestaltungssprache der Musik in neue, bereichernde sprachkünstlerische Verfahrensweisen umzusetzen (Capriccio, Notturno [II] etc. – Sinfonia domestica, Kleine Fuge etc. – Dissonanz etc.). [5] In meist relativ kleinen, auf Reim und Rhythmus konzentrierten Gebilden werden die „Gegenstände“ des Gedichts – „Dinge“ im gewöhnlichen (Auf eine zerbrochene Schale) und im besonderen Sinne (der Charakter einzelner Instrumente wird sprachlich inkorporiert: der titelgebende Zyklus, Ziehharmonika, Klarinette, Orgel etc.), die Natur (neue Blumengedichte, Der Strom als Figuration der Donau, Beschreibung eines Himmels etc.), die Geliebte (An eine Geliebte, Von einem Angesichte .. etc.) –, ohne ihren genregemäßen Eigenwert einzubüßen, transparent gemacht für selbstreflexive, zeitkritische und politische Bedeutungen. So weisen einige Texte der Kammermusik eine in Weinhebers Werk sonst nicht zu beobachtende Nähe zu Techniken der verdeckten Schreibweise, wie sie in der sog. „Inneren Emigration“ entwickelt werden, auf (vgl. bes. Abend auf der Veranda und Geliebte, mir geraubt, ein Schlüsselgedicht auf die Auflösung Österreichs durch den „Anschluß“). cf Kammermusik (1939) Anhang Spätwerk