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Die Sammlung Späte Krone, von Weinheber
gezielt als sein eigentliches „Debüt“ vor
reichsdeutschem Publikum konzipiert und von
den Zeitgenossen vielfach auch ausdrücklich als
solches rezipiert, ist auf zwei Sonettenkränze zu
Gedichten Michelangelos aufgebaut; so bilden
großräumige poetisch-sprachkünstlerische
Gestaltungen denkerischer Fragestellungen, die
sowohl in Opposition als auch in Ergänzung
zueinander verstanden werden wollen, Anfang
und Ende des Buches: Von der Kunst und vom
Künstler setzt sich polemisch mit Stellung und
Standort des Künstlers/Dichters in der Zeit – in
jeder und in dieser – auseinander. Sein eigenes
Schicksal wird Weinheber zum Zeugnis des
Umgangs mit dem „Geist“ in der Zeit des
„Ungeists“ und somit zum Symptom für die
große Krise, die Epoche des Untergangs: „Ich
wollte meinem Land die Sprache wahren / und
bin ein düstrer Niemand diesem Land.“ [1] Der
„Ruhm“, den die Zeit ihm nun verliehen hat,
erscheint dabei nur als das andere Gesicht der
verschweigenden Ignoranz: „Ich weiß, wie Zeit
und Tod mit mir verfahren. / Verlassen war ich,
jetzt bin ich verkannt. / In trägen, lahmen,
lauen Kommentaren / zerbröseln sie den Sturm,
den Kampf, den Brand.“ [2] Den Irrtum und das
Übel sieht er u. a. in dem grundfalschen
Verhältnis der Zeit zur Kunst wurzeln; dagegen
wird die radikale Forderung erhoben: „[...] alle
Ehr sei, aller Ehrfurcht Stärke, / dem Bildwerk vor
dem Bildenden gegeben!“ [3] – An die Nacht
entwirft, von dem unmittelbar vorangestellten
paradigmatischen Gedicht Die Nacht ist groß
bereits antizipiert, das visionäre Porträt der Natur
im Schopenhauerschen Sinn, also des „Willens
zum Leben“, in dem breiten Spektrum ihrer
vielschichtigen Bedeutung. Die metaphysische
Totalität, welche die dichterische Schau
beansprucht, wird auch hier eindrücklich zum
Gradmesser der historischen Gegenwart des
Menschen erhoben: „Die Nacht ist groß. Ich stehe
und verrichte / den Dienst im leergewordnen
Heiligtume. // Aufhalten kann ich nicht. Jedoch
ich sehe / wie keiner, der da lebt, die Rächer
schreiten." [4] – Im Inneren des Buches befinden
sich neue, thematisch weiter zum Politischen
fortschreitende Oden, Elegien und Versuche einer
neuartigen Hymnendichtung – letztere in
aufsteigender Bedeutung: Den Gefallenen, Den
Jünglingen und Dem kommenden Menschen, das
weltanschaulich zentrale Gedicht, in dem in
präziser Kritik an dem totalitären Menschenbild
des Neuen Deutschland erstmals das Leitmotiv
des „Menschen der Mitte“ errichtet wird (das
Gedicht wird später, anonymisiert, als Text des
Widerstandes gegen das NS-Regime tradiert) –,
weiters einige der berühmtesten liedhaften
Gedichte Weinhebers (Meditation, Notturno [I],
Im Grase, Still zu wissen .. etc.), deren stark vom
Melos bestimmte Wirkung allerdings nicht über die
genaue Komposition, das gedankliche
Bedeutungsgeflecht und die Notwendigkeit für den
Leser, sich darauf einzulassen, hinwegtäuschen
sollte.
cf
Späte Krone (1936).
Anhang
Spätwerk
(1) Sonett VIII, SW II 268.
(2) Sonett VIII, SW II 268
(3) Sonett II, SW II 265.
(4) Die Nacht ist groß, SW II 314.