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und die Die letzten Tage der Menschheit von
kaum zu unterschätzender Bedeutung für die
Herausbildung von Weinhebers zeit- und
gesellschaftskritischem Standpunkt sind.
Seit 1919 ist Weinheber, eingeführt durch
Robert Hohlbaum, Mitarbeiter an der
humoristisch-satirischen Zeitschrift Die Muskete,
die damals von Theodor Waldau in
antimilitaristischem, gemäßigt liberalem Geist
geleitet wird. 1921 erscheint durch Vermittlung
des Romanciers Leo Perutz Weinhebers erstes
Gedichtbuch, Der einsame Mensch (Verlag E.
P. Tal, Wien, Neuauflage im Ibachverlag, Wien
1940; Marianne Grill, der Ziehmutter,
gewidmet). Es beginnt aber erst rund zehn
Jahre später zu wirken, insbesondere indem es
zunehmend Verständnis als eine nicht von den
Grenzen des Tendenziösen gehemmte,
antiexpressionistische „Arbeiterdichtung“ erfährt
(etwa durch Theodor Lessing, Paul Cohn u.
a.). Die Lyrik aus der Periode des vorwiegend
am Stoff bzw. an der Reflexion als solcher
orientierten Interesses ist formal relativ
unselbständig, abhängig vor allem von Dehmel,
Wildgans, dem frühen Rilke. Erst im Verlauf
der ersten Hälfte der zwanziger Jahre erfolgt
aus der Einsicht in den Materialcharakter der
Sprache für das literarische Kunstwerk die
ästhetische Neuorientierung des
Weinheberschen Schaffens. Neben
der zentralen Auseinandersetzung
mit dem Sprach- und Kunstdenken
von Karl Kraus bildet eine meist
davon inspirierte systematisch und
studienmäßig betriebene Befassung
mit den großen Lyrikern der
unmittelbar vorangegangenen
Generation (besonders mit dem
mittleren und späten Rilke, Trakl –
nicht jedoch mit George!), mit
großen Erscheinungen vergangener
Epochen (von Claudius über
Mörike und Droste-Hülshoff bis
zu C. F. Meyer und Liliencron)
sowie mit der frühgriechischen
(Sappho, Alkaios) und der
klassischen lateinischen Lyrik
(Horaz), unter gestaltkritischen Gesichtspunkten
die Basis für diesen substantiellen Fortschritt. Die
Wende zur Sprache und das neue
sprachkünstlerische Experimentieren mit den
tradierten lyrischen Gestaltungswegen prägen in
unterschiedlich dichtem Ausmaß bereits die
beiden Gedichtbücher Von beiden Ufern (Burg-
Verlag, Wien 1923; Leo Perutz gewidmet) und
Boot in der Bucht (Krystall-Verlag, Wien 1926;
Hedwig Krebs gewidmet), die allerdings kaum
Beachtung finden. Wo steht
Weinheber, als sein Schaffen in der
zweiten Hälfte der zwanziger Jahre
seine endgültige Grundlage
gewonnen hat? „Alle Dichtung ist
von Anbeginn her Sprache“ [2]:
Weinhebers Lyrik beansprucht
nicht, auf einer neuen,
programmatisch herausstellbaren
poetologischen Maxime zu gründen.
Sie steht im Zeichen der Besinnung
auf einen zentralen, in der eigenen
Zeit jedoch von Verschüttung
bedrohten kunstontologischen
Sachverhalt. Ihr geht es darum, die
substantial-konstitutive Rolle der
Sprache für das Gedicht wieder in
das kreative Bewußtsein
zurückzurufen, der Tatsache
gestalterisch Rechnung tragend, daß der Sprache
im literarischen Kunstwerk charakteristischerweise
eine andere Funktion und Qualität zukommt als im
täglichen „Umgang“, im Gebrauch als
Kommunikationsmittel, mithin auch eine andere
als im instrumentellen Text (von der
Gebrauchsanweisung über den Werbetext und den
Zeitungsartikel bis zu der Agitationslyrik und dem
zurück
weiter
Anhang
Spätwerk
(2) Zum Wesen des lyrischen Gedichtes,
1930, SW IV 16