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Spätwerk
Mimikry. Wenn ein Aeon zu Ende geht, hat
niemand Zeit, Klassiker zu sein, oder er ist –
Literat. Mich hat meine Zeit auf dem Gewissen,
und ich – natürlich, zum Teil – auch sie. Aber
ich werde nichts, für die beiden Ehe-Teile, zu
kaschieren trachten. Ich habe Adel u[nd]
Untergang, (was für ein bezeichnender
Buchtitel!!) mit dem Kennwort „In hora mortis“
überschrieben [eigentl. Untertitel zum Leitwort
von Adel und Untergang, SW II 9]. Ich möchte
nicht den leisesten Timbre davon
zurücknehmen: Alles echt in dieser Zeit
Geschriebene ist im Angesicht des Todes
geschrieben. Wenn das, was also da
geschrieben worden ist, geschrieben werden
konnte, so haben wir es wissen müssen. Es
steht und im Grund kein Recht zur Klage – oder
gar zur Anklage zu. Dieses Jahrhundert ist,
soweit es bisher überblickbar ist, nicht eines der
(gesellschaftlichen und erotischen) Problematik
jener heute primitiv anmutenden Ibsen-
Strindberg-Wedekind, sondern eines der
nackten End-Tat, der „Liquidierung“. Nicht
umsonst bedient sich der Sprachgebrauch so
häufig des Wortes. Liquidiert wird alles: Nicht
nur umzingelte Divisionen, mehr oder weniger
schuldige Staatsverbrecher, überalterte
Anschauungen, denkwürdige Zeugnisse einer
tausendjährigen Kultur. Liquidiert wird vor allem
das Ich, jenes herrlich-schmähliche Produkt eines
Aeons, der das Seine getan hat. Diesem
moribunden Ich hilft kein Seneca, kein Marc
Aurel, kein Epiktet mehr ins Leben. Wenn es
begnadet ist im letzten Augenblick, läßt es Gott
mit Anstand sterben. Also Adel und Untergang!
Damit ist aber der Mensch, der weiße Mensch
gemeint, und nicht etwa (bloß) der Deutsche.
Verzeih mir den Exkurs! Sei tapfer wie bisher!
Schreib mir wieder! Ich denke immer an Dich und
Gigi [i. e. seinen Sohn Christian]. Hoffnungen
spreche ich nicht aus. Dafür ist die Zeit zu
eindeutig. Aber Gott möge Dich schützen und den
Buben! Um mich sollst Du nicht bang sein! [...]
Quelle:
Nach der Handschrift im Besitz von Christian
Weinheber-Janota, Kirchstetten.
Bearbeiter: cf
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