© 2019 Josef Weinheber-Gesellschaft  Die gesamten Inhalte dieser Website sind urheberrechtlich geschützt   Spätwerk Mimikry. Wenn ein Aeon zu Ende geht, hat niemand Zeit, Klassiker zu sein, oder er ist – Literat. Mich hat meine Zeit auf dem Gewissen, und ich – natürlich, zum Teil – auch sie. Aber ich werde nichts, für die beiden Ehe-Teile, zu kaschieren trachten. Ich habe Adel u[nd] Untergang, (was für ein bezeichnender Buchtitel!!) mit dem Kennwort „In hora mortis“ überschrieben [eigentl. Untertitel zum Leitwort von Adel und Untergang, SW II 9]. Ich möchte nicht den leisesten Timbre davon zurücknehmen: Alles echt in dieser Zeit Geschriebene ist im Angesicht des Todes geschrieben. Wenn das, was also da geschrieben worden ist, geschrieben werden konnte, so haben wir es wissen müssen. Es steht und im Grund kein Recht zur Klage – oder gar zur Anklage zu. Dieses Jahrhundert ist, soweit es bisher überblickbar ist, nicht eines der (gesellschaftlichen und erotischen) Problematik jener heute primitiv anmutenden Ibsen- Strindberg-Wedekind, sondern eines der nackten End-Tat, der „Liquidierung“. Nicht umsonst bedient sich der Sprachgebrauch so häufig des Wortes. Liquidiert wird alles: Nicht nur umzingelte Divisionen, mehr oder weniger schuldige Staatsverbrecher, überalterte Anschauungen, denkwürdige Zeugnisse einer tausendjährigen Kultur. Liquidiert wird vor allem das Ich, jenes herrlich-schmähliche Produkt eines Aeons, der das Seine getan hat. Diesem moribunden Ich hilft kein Seneca, kein Marc Aurel, kein Epiktet mehr ins Leben. Wenn es begnadet ist im letzten Augenblick, läßt es Gott mit Anstand sterben. Also Adel und Untergang! Damit ist aber der Mensch, der weiße Mensch gemeint, und nicht etwa (bloß) der Deutsche. Verzeih mir den Exkurs! Sei tapfer wie bisher! Schreib mir wieder! Ich denke immer an Dich und Gigi [i. e. seinen Sohn Christian]. Hoffnungen spreche ich nicht aus. Dafür ist die Zeit zu eindeutig. Aber Gott möge Dich schützen und den Buben! Um mich sollst Du nicht bang sein! [...]     Quelle: Nach der Handschrift im Besitz von Christian Weinheber-Janota, Kirchstetten. Bearbeiter: cf zurück Anhang Spätwerk