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Spätwerk
entgegenhalten: Schon „Er“ hat einst gesagt:
Wer suchet der findet! – Und der, von dem diese
Fabel geht, der hat sicherlich nicht logisch, oder
[er hat] von einem falschen Ausgangspunkt aus
nachgedacht. Ich weiß wohl, daß auch ich nicht
bis ans Ende kommen werde. Das liegt in der
organischen Entwicklung alles Denkens. Man
kann um ein, um zwei Jahrhunderte
vorausdenken und fühlen, ja um Jahrtausende
(Buddha, Christus, Aristoteles, Göthe), aber
nicht um eine ganze menschliche (oder vielleicht
nicht mehr menschliche?) Entwicklungsphase. –
Aber denen, die nach mir kommen, werd ich
wenigstens ein Stück Weg zur Höhe geebnet
haben. Und das sagen können, ist viel!
Wenn Du so wie ich über alle Erscheinungen
nachdenken würdest, müßtest Du stolz und
traurig zugleich sein, ein Mensch zu heißen.
Stolz, als Glied uns Anfang für die Zukünftigen,
deren Kleinster größer und reiner sein wird als
der Größte, von dem wir heute wissen, –
traurig, gerade in dieser Zeit des Rückfalls zu
leben. Denn noch spielt die Natur ihr
schreckliches Spiel mit uns, weil wir sie noch
nicht erkannt haben. Barbarei, Humbug und
Oberflächlichkeit feiern Siegesorgien. Sie haben
überall mit der Brutalität des Geistlosen die
Ansätze zur neuen Entwicklung verdrängt. O es
wird nicht Jahre, es wird viele Jahrzehnte
brauchen, bis wir wieder dort sind, wo wir waren.
Und wer hört die Stimmen aus der Wüste? Wer
versteht ihre Sprache? – Ich habe mich endlich
entschlossen, das, was ich bis jetzt geschrieben,
herauszugeben. Aber ich weiß, gerade die besten
Sachen werden ihnen leere Worte sein. Balladen,
die von Blut und Grauen triefen, girrendes,
oberflächliches Liebesgestammel, das wäre der
heutigen „Gebildeten“ Fall. Und überhaupt
„Gedichte“, bei denen man obendrein noch
nachdenken soll! Der Mann muß ja nicht recht bei
Trost sein! Ja, wenns ein spannender, „pikanter“
Roman wäre - - [...] Und nun will ich für diesmal
mit dem Wort Johannis schließen, das gleichzeitig
das Titelwort zu meinem 2ten Gedicht von „Tag
und Traum“ ist.
Der Geist ist es, der Leben gibt. (das Fleisch ist
ohne Nutzen)
Joh. Cap. VI. Vers 64.
Alle Sehnsucht glüht mit Deiner mit,
nicht sich mit den Grenzen zu bescheiden,
die das Fleisch dem Sein der Wesen zieht.
Heißt auch heut noch alles Leben Leiden,
wurzelt Sterben noch in allem Blut:
Sieh, der Geist wird aufstehn über beiden!
Bauend türmen wird sich Glut an Glut,
bis der „Tag“ vom „Traum“ nicht mehr zu
scheiden,
und der Geist im Ziel der Dinge ruht.
[Vgl. SW I/1 78.] [...]
Quelle:
Nach einer von Friedrich Jenaczek angefertigten
Abschrift des Originals, Archiv der Josef
Weinheber-Gesellschaft, Kirchstetten (vgl. SW I/1
394ff.).
Bearbeiter: cf
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