© 2019 Josef Weinheber-Gesellschaft  Die gesamten Inhalte dieser Website sind urheberrechtlich geschützt   Spätwerk entgegenhalten: Schon „Er“ hat einst gesagt: Wer suchet der findet! – Und der, von dem diese Fabel geht, der hat sicherlich nicht logisch, oder [er hat] von einem falschen Ausgangspunkt aus nachgedacht. Ich weiß wohl, daß auch ich nicht bis ans Ende kommen werde. Das liegt in der organischen Entwicklung alles Denkens. Man kann um ein, um zwei Jahrhunderte vorausdenken und fühlen, ja um Jahrtausende (Buddha, Christus, Aristoteles, Göthe), aber nicht um eine ganze menschliche (oder vielleicht nicht mehr menschliche?) Entwicklungsphase. – Aber denen, die nach mir kommen, werd ich wenigstens ein Stück Weg zur Höhe geebnet haben. Und das sagen können, ist viel!   Wenn Du so wie ich über alle Erscheinungen nachdenken würdest, müßtest Du stolz und traurig zugleich sein, ein Mensch zu heißen. Stolz, als Glied uns Anfang für die Zukünftigen, deren Kleinster größer und reiner sein wird als der Größte, von dem wir heute wissen, – traurig, gerade in dieser Zeit des Rückfalls zu leben. Denn noch spielt die Natur ihr schreckliches Spiel mit uns, weil wir sie noch nicht erkannt haben. Barbarei, Humbug und Oberflächlichkeit feiern Siegesorgien. Sie haben überall mit der Brutalität des Geistlosen die Ansätze zur neuen Entwicklung verdrängt. O es wird nicht Jahre, es wird viele Jahrzehnte brauchen, bis wir wieder dort sind, wo wir waren. Und wer hört die Stimmen aus der Wüste? Wer versteht ihre Sprache? – Ich habe mich endlich entschlossen, das, was ich bis jetzt geschrieben, herauszugeben. Aber ich weiß, gerade die besten Sachen werden ihnen leere Worte sein. Balladen, die von Blut und Grauen triefen, girrendes, oberflächliches Liebesgestammel, das wäre der heutigen „Gebildeten“ Fall. Und überhaupt „Gedichte“, bei denen man obendrein noch nachdenken soll! Der Mann muß ja nicht recht bei Trost sein! Ja, wenns ein spannender, „pikanter“ Roman wäre - - [...] Und nun will ich für diesmal mit dem Wort Johannis schließen, das gleichzeitig das Titelwort zu meinem 2ten Gedicht von „Tag und Traum“ ist.  Der Geist ist es, der Leben gibt. (das Fleisch ist ohne Nutzen)                                                                       Joh. Cap. VI. Vers 64. Alle Sehnsucht glüht mit Deiner mit, nicht sich mit den Grenzen zu bescheiden, die das Fleisch dem Sein der Wesen zieht.   Heißt auch heut noch alles Leben Leiden, wurzelt Sterben noch in allem Blut: Sieh, der Geist wird aufstehn über beiden!   Bauend türmen wird sich Glut an Glut, bis der „Tag“ vom „Traum“ nicht mehr zu scheiden, und der Geist im Ziel der Dinge ruht. [Vgl. SW I/1 78.]  [...]     Quelle: Nach einer von Friedrich Jenaczek angefertigten Abschrift des Originals, Archiv der Josef Weinheber-Gesellschaft, Kirchstetten (vgl. SW I/1 394ff.).   Bearbeiter: cf zurück Anhang Spätwerk