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Spätwerk
Spottes in Versglossen und Prosaepisteln.
Kontrastiv versteht sein eigenes „Bekenntnis
zur nationalen Erneuerung“ unter dieser „eine
Adelung, eine Reinigung der geistigen Werte“
[4]. Weinhebers unter dieses Postulat gestellte
„vaterländische Umkehr“ ist insofern
„unpolitisch“, als sie gerade nicht durch
Übereinstimmung mit der Ideologie oder dem
Programm des Nationalsozialismus (wie auch
irgendeiner anderen Partei) motiviert ist [5].
In diesem Sinn versucht er in einer Reihe von
Gedichten mahnend und fordernd auf eine
echte Revolution des geistigen Lebens
hinzuwirken (z. B. mit einem kleinen
Odenzyklus, der ursprünglich den Titel „Dem
neuen Deutschland“ tragen sollte: I. „Ihr
hattet, Sänger“/Schatten des Übergangs, II.
Der verlorene Sohn, III. Auf seinem Schild
sterben); sie bleiben unbeachtet oder erleiden
großteils das Schicksal mißverständlicher bzw.
absichtlich verfälschender
Instrumentalisierung. Insbesondere unter
Berücksichtigung der literarischen Zeugnisse
aus den Jahren 1933 und 1934 „erscheint der
,Pg.’ Weinheber gerade nicht als ,Nazi’, sondern
als das Gegenteil eines solchen; als Rebell, als
ein in ein ihm (nach heutiger Auffassung)
durchaus fremdes Milieu verirrter Nonkonformist“
[6]. Die personelle Zusammensetzung des
„nationalrevolutionären“ Umfeldes, in das sich
Weinheber begeben hat, kann in ihrer
konglomeratischen weltanschaulichen und
ideologisch-politischen Ausprägung und in ihren
intellektuellen Abstufungen vielleicht am besten
an der von Alfred Eduard Frauenfeld und
Hermann Stuppäck geleiteten Zeitschrift Der
neue Weg (später: Der Weg) beobachtet werden,
in der während ihres knapp eineinhalbjährigen
Erscheinens (August 1933 – Dezember 1934)
auch etliche Beiträge von und über Weinheber
veröffentlicht werden.
Schon nach kurzer Zeit zieht Weinheber sich
wieder von seiner politischen Betätigung innerhalb
der NSDAP zurück und stellt mit Oktober 1934 die
Zahlung des Mitgliedsbeitrags ein. Veranlaßt ist
dies einerseits vermutlich durch die illegale
Radikalisierung der Partei, die schließlich zum
Putsch-Versuch im Juni 1934 führt, durch den
anschließenden Wandel in der reichsdeutschen
Österreich-Politik sowie durch die zunehmende
Gewaltbereitschaft des christlichsozialen Regimes
in der Zeit von den Februar-Kämpfen (die von der
Dollfuß-Fey-Regierung verantwortete
Artilleriebeschuß von Arbeiterwohnhäusern in
Wien hat Weinheber zutiefst entsetzt und
nachhaltig verstört [7]) bis zum Erlaß der
autoritären „Maiverfassung“, sodaß Weinheber,
der als pensionierter Beamter der Wiener Post-
und Telegraphendirektion überdies zur
Mitgliedschaft in der „Väterländischen Front“
gezwungen ist, kein Risiko mehr einzugehen wagt.
Andererseits ist dafür aber auch bereits das sehr
rasch entwickelte und später durch die „tiefe
Erschütterung“, welche die ersten persönlichen
Deutschland-Erfahrungen ausgelöst haben [8],
bestätigte und verstärkte Bewußtsein einer
„deutlichen Inkongruenz zwischen meiner, im
Werk dokumentierten Geistigkeit [...] und den
augenblicklich die Gemüter bewegenden Thesen
von Blut und Boden“ verantwortlich [9].
Tatsächlich stellen seine im Herbst 1934
erscheinenden „Gesammelten Gedichte“ Adel und
Untergang diesen Abstand nicht nur im Kontext
„dichter“ Sprache, sondern immer wieder auch mit
eindeutigen Worten klar: „Mich vollendend, diene
ich dem Volke.“ (Spruch zur Abwehr [10]) Daß
die von politischer Gewalt, geistiger Engstirnigkeit
und Unduldsamkeit bestimmte Realität Hitler-
Deutschlands keine Alternative zu dem
verachteten katholisch-autoritären
Herrschaftssystem in Österreich sein, geschweige
denn den einstmals erhofften revolutionären
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Anhang
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(6) Kommentar SW III 737.
(4) Entwurf eines Briefes [an Erwin
Rieger] vom 13./14. 4. 1933, siehe SW
V 746, Fackelmann 2005, S. 479.
(5) Vgl. den Kommentar SW V 746.
(3) Gedanken zur Lyrik, 1934, SW IV 51, 59.
(7) Vgl. die Mitteilung Hermann R. Lebers, SW
III 740f.; Brief an Helmut Henning vom 25. 6.
1939, V N 490.
(8) Reflektiert in einem Brief Ronald Loeschs
an Josef Weinheber vom 9. 6. 1936, vgl. auch
das Schreiben Elisabeth Ihles vom 15. 6. 1936,
siehe Fackelmann 2005, S. 525f.
(9) Entwurf eines Briefes an Rudolf List vom
3. 8. 1936, siehe Jenaczek 1995, S. 110, bzw.
SW I/2 466. „Inkongruenz“ in den händischen
Entwurfkorrekturen ersetzt durch: „Abstand“.